Unsere Prognosen für die DNS-Industrie im zweiten Jahr der Pandemie sind weitgehend so eingetreten, wie erwartet. Im vergangenen Jahr stand die Bekämpfung des Missbrauchs von Domain-Namen stand erneut oben auf der Agenda vieler Marktteilnehmer. Die Konsolidierung innerhalb der Branche hat sich weiter fortgesetzt. Die Pandemie hat zu zwei für unser Geschäft wesentlichen Entwicklungen geführt. Zum einen hat die Verlagerung in das Digitale unserer Industrie trotz einiger Insolvenzen im Bereich Events, Gastronomie, Tourismus und Handel Kundenzuwächse verschafft. Zum anderen mussten wir in Kauf nehmen, dass die Weiterentwicklung des Internets, u. a. in den ICANN-Arbeitsgruppen, weiter rein digital stattfand. Darunter litten Fortschritte wie auch das Verhandeln eines Konsenses in einigen Themenbereichen. Jetzt ist es Zeit, nach zwei Pandemie-Jahren unsere Prognosen für die DNS-Industrie für das Jahr 2022 aufzustellen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.
1. Prognose: Bekämpfung von DNS-Missbrauch
Durch die Pandemie haben sich Transaktionen von der realen in die digitale Welt verlagert und mit ihr Kriminelle, die in der digitalen Welt ihr Glück versuchen. Auch wenn es keine unabhängigen Studien gibt, die einen steigenden Missbrauch postulieren, ist es dennoch weiterhin eines der wichtigsten Themen unserer Industrie, diesen zu reduzieren. Die meisten Registries und Registrare setzen sich aktiv für die Bekämpfung von DNS-Missbrauch ein, und setzen umfassende Maßnahmen gegen Missbrauch um. Das beinhaltet auch eine bessere Kommunikation der Maßnahmen an ihre Stakeholder. Dazu gehören erste sichtbare Aktivitäten, mit denen Registries ihre Aktivitäten transparent machen. Dazu gehören beispielsweise .berlin und .hamburg mit ihren jährlich erscheinenden Transparenzberichten. Aber auch das im Jahr 2021 gegründete DNS-Abuse Institute von der .org-Registry. Wir erwarten, dass ICANN sich auf seine rein technische Mission fokussiert und Debatten zu inhaltlichem Missbrauch an entsprechende Stellen verweist.
2. Prognose: Marken und Unternehmen nutzen ihre eigene dotBrand in der Kommunikation
Die Nutzung der eigenen Top-Level-Domain von Marken und Unternehmen ist im Jahr 2021 weiter gestiegen. Insbesondere für die Kommunikation der Unternehmenswerte ist die eigene dotBrand perfekt geeignet. Herausragende Beispiele sind laut unserer aktuellen Studie “Digitale Unternehmensmarken 2021” neben der französischen .leclerc, .abbott, .seat, .weber auch die deutsche dotBrand .audi. Wir erwarten, dass diese dotBrand-Beispiele auch in diesem Jahr weitere Marken dazu veranlassen werden, selbst mit eigenen Kampagnen, Webprojekten und neuen Landing Pages auf sich aufmerksam zu machen.
3. Prognose: Registrierungen unter den neuen Top-Level-Domains steigen weiter an
Laut dem DOMAIN NAME INDUSTRY BRIEF, VOLUME 18 – ISSUE 3 – SEPTEMBER 2021 ist die Anzahl der registrierten Domains im vergangenen Jahr 2021 (Stand: September 2021) auf gut 367,3 Millionen gestiegen. Das Nettowachstum lag bei ca. 12,5 Million Domains (entspricht 3,5% des Marktes). Davon machen die neuen Top-Level-Domains mit 22,9 Mio. Domains einen Marktanteil von 6,1% aus. Die Registrierungszahlen ergeben sich laut nTLDstats aus 1.163 neuen Top-Level-Domains, von denen zum Jahresende 2021 die TLDs .xyz, .online, .top, .site und .shop zu den TOP 5 gehörten. Für das bevorstehende Jahr erwarten wir, dass sich der Aufwärtstrend weiter fortsetzt. Denn unter den neuen Top-Level-Domains sind immer noch viele gute Namen verfügbar. Beliebt sind weiter neben den geografischen insbesondere sprechende Top-Level-Domains wie .fun, .cloud und .blog
4. Prognose: Alternative Blockchain-Domains (bTLDs) – Ein perfekter Sturm?
ICANN steht aktuell in der Kritik, trotz eines immanenten Bedarfs die Einführung neuer Top-Level-Domains hinauszuzögern. Seit dem letzten Bewerbungsfenster für nTLDs ist immerhin eine Dekade vergangen. Alternative TLDs gibt es zwar schon lange, z.B. in China und in Russland. Sie sind aber nicht in der ICANN-Root eingetragen und lösen damit nicht weltweit auf. Mit der Blockchain-Technologie ist nun möglicherweise ein „perfekter Sturm“ heraufgezogen, der mehr Sicherheit, Auswahl und Applikationen für Domains verspricht. Neue Anbieter wie ENS, Unstoppable Domains und Handshake-Domains haben zahlreiche bTLDs wie .crypto, .eth und .saas gelauncht und verkaufen die neuen Domains an Endkunden. Die Adressen sind zwar nur über Browser-Plugins oder andere Wege auflösbar, was der Popularität aber keinen Abbruch tut. Wir gehen davon aus, dass es zu einem Machtkampf zwischen den neuen Anbietern und ICANN kommen könnte. Denn ICANN warnt bereits vor „nicht DNS-kompatiblen Domains Handshake-Domains, die Nutzer in die Irre führen könnten“.
5. Prognose: Konsolidierung in der Branche wird weitergehen
Die Branche hat sich auch im Jahr 2021 weiter konsolidiert, sowohl was die Betreiber von Top-Level-Domains als auch ihre Vertriebspartner betrifft. Zu den größeren Mergern gehörte die Übernahme von ICM und MMX durch GoDaddy Registry. Wir erwarten mit unseren Prognosen der DNS-Industrie, dass diese Dynamik auch im Jahr 2022 weitergeht und erwarten weitere Konsolidierungen.
6. Prognose: Prozess für neue Bewerbungsrunde macht Fortschritte
Die Entwicklung der Rahmenbedingungen für die nächste Bewerbungsrunde hat im vergangenen Jahr nur kleine Fortschritte gemacht. Obwohl die verantwortliche Arbeitsgruppe, in der uns wir regelmäßig als Arbeitsgruppenmitglied aktiv an der Debatte beteiligt haben, den finalen Report bereits im Januar 2021 veröffentlichte. Denn der erfolgreiche Abschluss der neu eingeführte Operational Design Phase (kurz: ODP) steht zwischen heute und der Zustimmung der ICANN-Direktoren. Ein konkretes Datum benennt ICANN aktuell nicht, wann die ODP-Phase abgeschlossen sein soll. ICANN spricht in der ersten Information zum ODT-Prozess vom 18.1.2022 über „a high-level overview of what will be a deep, thorough, and complex endeavor.” Wir erwarten im Rahmen unserer Prognosen der DNS-Industrie, dass ICANN kurzfristig weitere Informationen mit der Community teilt.
7. Prognose: Digitalisierungsthemen und Internet Governance gewinnen stärkere Aufmerksamkeit
Nachdem Deutschland Gastgeber des globalen Internet Governance Forums im Herbst 2019 in Berlin war, erwarten wir nach online geführten Debatten und zwei hybriden IGF‑D eine weitergehende Beschäftigung mit dem Thema Internet Governance. Insbesondere durch die neue Regierungskoalition ist zu hoffen, dass digitale Themen am Bedeutung gewinnen und mit Sachverstand angegangen werden.
8. Prognose Hoffnung: ICANN thematisiert Public Interest und seine Mission
Wie ICANN bei seinen Entscheidungen das öffentliche Interesse berücksichtigt, ist nicht nur auf Board-Ebene, sondern auch innerhalb der ICANN-Community zunehmend in das Bewusstsein gerückt. Mit dem vom Board ausgearbeiteten Vorschlag wurde ein erster Schritt getan. Weitere Aktivitäten müssen in diesem Jahr folgen, auch nach der massiven Kritik zur Rolle von ICANN zum Verkauf der .org-Endung. Daher werden aus der Community Forderungen lauter, dass sich ICANN erneut auf ihre Mission konzentriert, „den stabilen und sicheren Betrieb der einzigartigen Identifizierungssysteme des Internets sicherzustellen“. Das ICANN-Board wird sich damit auseinandersetzen müssen, um weiter die relevante Instanz für die globale Internetverwaltung zu bleiben.
Wir freuen uns darauf, an dieser Stelle im kommenden Jahr unsere Prognosen für das Jahr 2022 Revue passieren zu lassen und einen Ausblick auf das Jahr 2023 zu wagen.